KRANKHEITSBILDER
Eine Ausnahme stellt die Arbeit von Martina Biesenbach dar; auf der Grundlage einer langjährigen Beschäftigung im sozialarbeiterischen Bereich spart auch ihr künstlerisches Schaffen die brisanten sozialen Fragen, die in einer sich auflösenden Solidargemeinschaft virulent werden, nicht aus. Bei einem solchen Vorgehen ist aber Distanz und Neutralität vonnöten.
Eine Neigung etwa, die gesellschaftlichen Ränder pauschal zu glorifizieren, geht Biesenbach ab.
Ein erstes Resultat einer solchen objektiv verstandenen Gestaltungsmethode war ihre Serie “Krankheitsbilder” [1997], die sich auf die diagnostische Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen bezieht.
Sie ist ein Versuch, den jeweiligen pathologischen Mustern eine bildnerische Umsetzung zu verleihen. Jedoch geschieht das weniger auf eine freie, künstlerisch-expressive Art, sondern auf eine gewissermaßen organische.
Basierend auf der Vorstellung, dass verschiedene
Krankheitsformen sich speziell in unterschiedlichen motorischen Störungen niederschlagen, etwa Hyperaktivität auf der einen, stark verlangsamte Bewegungsabläufe auf der anderen Seite, entschied sich Biesenbach für eine performativ-body-artistische Realisation.
Das heißt, die Bilder sind entstanden, indem sich Biesenbach mittels Fuß-, also Trampel- bzw. Bewegungsspuren in die jeweilige Symptomatik “einzufühlen” versuchte.
Daraus resultierten Arbeiten mit fleckigem Farbgesprenkel und hektischen roten Fußstapfen im Falle des Paranoikers, ein düsteres, schweres und unbewegliches Bild, schwarze Fläche auf dunkelblauem Grund, bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung, die durch eine starke Isolation des Kranken gekennzeichnet ist.